Ukrainische Kriegsflüchtlinge, die Bürgergeld beziehen, obwohl sie eigentlich gar keinen Anspruch darauf hätten: FOCUS online berichtete zuletzt ausführlich über solche Fälle.

Hintergrund: Baden-württembergischen Behörden war aufgefallen, dass einige mutmaßliche ukrainische Kriegsflüchtlinge noch eine zweite Staatsbürgerschaft besaßen – etwa die ungarische oder rumänische -, diese aber bei der Einreise verschwiegen.

Der Verdacht: Die Betroffenen wollten deutsche Sozialleistungen beziehen, hatten aber eigentlich gar kein Recht dazu.

Denn wer sich in Deutschland ausschließlich als Ukrainer identifiziert, hat einen Sonderstatus und bekommt ab Aufenthaltsbeginn Bürgergeld. Das Privileg entfällt bei EU-Ausländern, die nur zusätzlich die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen. Also auch bei Ungarn und Rumänen.

„Auf wundersame Weise“ neue Pässe

Offenbar ist das Thema in der Politik angekommen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte auf Anfrage von FOCUS online, dass zwar die Länder für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen zuständig seien.

Vertreter der Bundesländer hätten das Ministerium jedoch auf mögliche Missbrauchsfälle hingewiesen. Deshalb sei „eine Prüfung des Sachverhaltes in Zusammenarbeit mit den ukrainischen und ungarischen Partnern“ in die Wege geleitet worden.

Auf die Frage, wie viele Fälle bereits untersucht wurden, hieß es: „Im Rahmen des Verfahrens zur Klärung von Zweifeln über die Staatsangehörigkeit von Antragstellenden für eine Aufenthaltsgewährung zum temporären Schutz […] mit ukrainisch-ungarischem Bezug hat das BAMF mit Stand 8. Januar 2024 insgesamt 3111 Fälle an die ungarischen und 3374 Fälle an die ukrainischen Behörden zur Überprüfung übermittelt.“

„Falsche“ Ukrainer sind also ein Problem – nicht nur in Baden-Württemberg. In der Vergangenheit gab es auch Berichte über Roma, die offenbar in größerer Zahl als ukrainische Kriegsflüchtlinge nach Bayern kamen.

Einige von ihnen besaßen neben der ukrainischen wohl auch eine ungarische Staatsbürgerschaft – das geht aus mehreren Medienberichten hervor. Auch hier steht die Frage nach dem Bürgergeld-Anspruch im Vordergrund: Für betroffene Roma-Großfamilien geht es im Einzelfall um mehrere Tausend Euro an Sozialleistungen pro Monat.

Besonders betroffen soll Großraum München sein

Im September schätzte das Landratsamt im bayerischen Fürstenfeldbruck die Zahl der mutmaßlich ukrainischen Roma in den dortigen Flüchtlingsunterkünften auf rund 100. Gut 80 von ihnen seien, so berichten Lokalpolitiker, „auf wundersame Weise” in den Besitz brandneuer ukrainischer Pässe gelangt. Viele der Roma würden jedoch Ungarisch sprechen.

Nicht nur in Fürstenfeldbruck haben Behörden den Verdacht, dass manche tatsächliche oder vermeintliche ukrainische Flüchtlinge den Besitz eines zusätzlichen ungarischen Passes verheimlichen. Das berichtet die Münchner „Abendzeitung“, die in zahlreichen Kreisen und Städten Bayerns nachgefragt hat.

Eine Sprecherin des Landratsamts Rosenheim sagte demnach: Vor allem die seit Anfang 2023 zuziehenden ukrainischen Flüchtlinge mit Roma-Hintergrund würden „meist neu ausgestellte Reisepässe besitzen”.

Ein Teil dieser Menschen würde Ungarisch sprechen. „Viele können im anschließenden Verwaltungsverfahren ihre Schutzberechtigung nicht geltend machen, da sie nicht nachweisen können, vor Kriegsausbruch in der Ukraine gelebt zu haben“, so die Sprecherin.

Fall einer Familie sorgte für Empörung

Auch im Osten der Republik war Sozialbetrug durch Ukrainer bereits ein Thema. Von einer besonders dreisten Masche berichtete der Ilm-Kreis in Thüringen im vergangenen Jahr: Von rund 2400 ukrainischen Flüchtlingen waren bereits 52 in anderen EU-Ländern registriert. Einige sollen dadurch doppelt Sozialleistungen bezogen haben. Das geht aus einem Bericht des MDR hervor.

Auch der Fall einer ukrainischen Familie in Schleswig-Holstein sorgte für Empörung. Sie soll ein Jahr lang rund 40.000 Euro Sozialleistungen aus Deutschland bezogen haben, obwohl sie vorübergehend wieder in die Westukraine zurückgekehrt war.

Bleibt die Frage, wie sich derartiger Sozialbetrug eindämmen lässt.

FOCUS online hat beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nachgefragt, welche Kontrollen stattfinden, um den Betrug zu verhindern oder zumindest aufzudecken.

Bundesarbeitsministerium verweist auf Ausländerbehörden

In einer schriftlichen Antwort heißt es: „In den Jobcentern werden die Leistungsvoraussetzungen des SGB II […] geprüft.“ Bei ausländischen Antragstellern beinhalte der Prozess auch die Prüfung der „Angaben zum Vorliegen eines Aufenthaltstitels zum vorübergehenden Schutz“. Und weiter: „Die Feststellung, wo die leistungsberechtigte Person herkommt, ob ein Fluchtmerkmal vorhanden ist und ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, obliegt den Ausländerbehörden auf der Grundlage der erkennungsdienstlichen Behandlung.”

Käme in den Jobcentern der Verdacht auf, „dass die antragstellende Person auch eine EU-Staatsangehörigkeit hat – weil sie beispielsweise nur eine EU-Sprache, aber nicht Ukrainisch spricht, haben Jobcenter die Ausländerbehörden darauf hinzuweisen“.

Weiter ist im Statement des Ministeriums zu lesen: „Erst wenn die Ausländerbehörde feststellt, dass aufgrund der EU-Staatsangehörigkeit der ursprüngliche Aufenthaltstitel zu Unrecht erteilt wurde, dürfen Leistungen eingestellt bzw. zurückgefordert werden.“

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