Venezuela sperrt die Deutsche Welle, Nicaragua wirft Deutschland „Begünstigung zum Völkermord“ in Gaza vor. Beide Länder hatten zuvor russischen Besuch. Hängt das zusammen?

Gleich mehrere lateinamerikanische Länder positionieren sich gegen Deutschland: Venezuela blockiert den Auslandssender „Deutsche Welle“, Nicaragua verklagt Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Der Vorwurf: „Begünstigung zum Völkermord” im Gazastreifen.

Die Regierung des autokratischen Machthabers Daniel Ortega wirft der Bundesregierung vor, wegen politischer, finanzieller und militärischer Unterstützung Israels und der Streichung der Mittel für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA für die Zustände in Gaza mitverantwortlich zu sein.

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro nannte den Auslandssender „Deutsche Welle“ in seiner eigenen TV-Sendung „Con Maduro“ einen „Nazi-Kanal“. Seitdem ist die „Deutsche Welle“ im venezolanischen Fernsehen nicht mehr abrufbar.

Der Sender berichtet seit Jahren über die Menschenrechtsverletzungen in den linken Autokratien Kuba, Venezuela und Nicaragua, ganz aktuell über Querverbindungen Maduros mit einem venezolanischen Drogenkartell. Das gilt als eines der Motive für die Sperrung.

Venezuela und Nicaragua pflegen enge Beziehungen zu Russland

Laut Experten gibt es aber noch einen ganz anderen Grund, dass die politischen Entscheidungen aus Lateinamerika ausgerechnet jetzt kommen – er liegt auf der anderen Seite der Welt: Russland. Sowohl Venezuela als auch Nicaragua bekamen zuletzt Besuch aus Moskau, unter anderem von Außenminister Sergej Lawrow.

„Eigentlich dominiert in Lateinamerika eine Non-Alignement-Strategie: Die meisten Länder positionieren sich weder zu nah bei Russland noch zu nah beim Westen“, sagt Oliver della Costa Stuenkel, Russland-Experte der brasilianischen Fundação Getulio Vargas (FGV). „Venezuela, Nicaragua und Kuba sind die Ausnahme. Hier ist der politische Einfluss ziemlich groß, die Regierungen pflegen enge Beziehungen.“

Präsident Wladimir Putin nutze die drei Verbündeten in Lateinamerika, um zu zeigen, dass Russland nicht isoliert sei, sagt Christopher Hernandez-Roy, stellvertretender Direktor des Amerikaprogramms des Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. „Er baut in diesen Ländern ein anti-westliches Bündnis auf und nutzt das, um von dort Propaganda zu verbreiten.“

Genau das machen Venezuela, Nicaragua und Kuba immer wieder. Erst vor wenigen Wochen ließ Maduro die Mitarbeiter des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen ausweisen. Gegen das venezolanische Regime wird am IGH in Den Haag ermittelt: wegen Folter, außergerichtlichen Hinrichtungen und massiver Repression.

Venezuelas Außenminister Yvan Gil warf den Vereinten Nationen (UN) im Februar vor, das Büro sei auf internationaler Ebene gegen die Regierung eingesetzt und instrumentalisiert worden. Sie sei eine „private Anwaltskanzlei für Putschisten und Terroristen“ geworden.

Wie Venezuela gilt Nicaragua als Autokratie. Machthaber Ortega ließ Sozialproteste 2018 niederschießen, 300 Menschen kamen ums Leben. Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen ließ er alle Gegenkandidaten verhaften, steckte regierungskritische Kirchenvertreter ins Gefängnis. Mittlerweile wurden die meisten in die USA zwangsweise ausgebürgert.

Militärhilfe und Unterstützung aus Russland

Die aktuellen Vorwürfe gegen Deutschland und „Deutsche Welle“ reihen sich in die anti-westliche Rhetorik der Regierungen ein – sie dienen Russland, weil sie die Glaubwürdigkeit westlicher Länder infrage stellen. Maduro und Ortega handeln nicht uneigennützig: „Sie unterstützen Putins Ziele, und er unterstützt im Gegenzug ihre“, sagt Christopher Hernandez-Roy. Unter anderem mit Militärkooperationen.

Außerdem stellte sich Russland im Dezember 2023 auf die Seite Maduros, als dieser Anstalten machte, eine Region des Nachbarstaats Guyana zu annektieren.

Maduro und Ortega erhoffen sich von Russland darüber hinaus aber noch etwas ganz anderes, sagt Hernandez-Roy: „Eine multipolare Weltordnung, an der sie mehr Mitsprache und Beteiligung haben.“

Sowohl Venezuela als auch Nicaragua sind seit Jahren auf der internationalen Bühne isoliert, sie leiden unter einer schweren Versorgung- und Wirtschaftskrise. In den vergangenen zehn Jahren hat ein Viertel der Bevölkerung das Land verlassen. Aus Nicaragua emigrierten seit Ausbruch der Sozialproteste 2018 rund eine Million Menschen. In beiden Fällen zieht es die meisten in die USA. Sie bilden den Großteil der an der Südgrenze der USA ausharrenden Migranten.

Von Tobias Käufer, Laura Dahmer

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